Telemedizinische Services könnten der Motor sein, den die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens so dringend benötigt. Doch gelingt es den Krankenhäusern, Patienten und letztlich auch den Struktur gebenden Institutionen, sich dem Thema anzunähern und die Gesundheitsversorgung in Deutschland auf ein moderates digitales Level zu heben?
„Stellen Sie sich einmal vor, dass Sie an Ostern, mit Ihren 2 Kindern zu Ihren Eltern aufs Land fahren. Ihr Vater - 70 Jahre alt - laboriert schon länger an einem Herzleiden. Er ist zwar gut eingestellt, doch es kommt, wie es kommen muss. Zunächst verwechselt er seine Herzrhythmusstörungen mit einem anhaltenden Husten und anstatt sich auf den Weg in die 50km entfernte Klinik zu machen, nimmt er Schüssler-Salze gegen das Sodbrennen. Der liebe Vater erleidet einen Herzinfarkt und muss - um sein Leben kämpfend - 30 Minuten oder mehr auf den Notarzt warten. Übersetzt man dieses Szenario auf eine flächendeckende, medizinische Infrastruktur mit technologisch aufgeklärten Bürgerinnen und Bürgern, so hätte spätestens nach dem täglichen Elektrokardiogramm der Smartwatch festgestanden, woher die Beschwerden rühren. In einem kurzen Videotelefonat mit dem Hausarzt wäre die Empfehlung ausgesprochen worden, die Kardiologie des Krankenhauses aufzusuchen, um sich der Sache anzunehmen – die Überweisung befindet sich ganz unkompliziert in der elektronischen Patientenakte. Natürlich wurde analog zu diesem Prozess ein Termin für die Vorstellung beim Hausarzt gemacht.“
Wo in Deutschland vielerorts noch über regulatorische und strukturelle Hindernisse der Digitalisierung gesprochen wird und sich im Grundtenor mehr Argumente dagegen, als dafür ausfindig machen lassen, ist die Schlagrichtung in anderen Nationen bereits seit einigen Jahren deutlicher - Die Zukunft der Gesundheitsversorgung ist Digital(er).
Die elektronische Patientenakte, Big Data, digitale Sprechstunden. Man muss sicher nicht über den großen Teich schauen, um zu sehen, welchen Impact telemedizinische Leistungen auf die hiesige Gesundheitswirtschaft und die Zufriedenheit der Patienten haben. Das vereinigte Königreich hat es sich zur Aufgabe gemacht, telemedizinische Leistungen in den nächsten 5 Jahren zum Standard zu machen. Und das ist auch bitter notwendig, denn Leistungen dieser Art schließen wichtige Versorgungslücken. Zwar gebe es in Deutschland keinen Mangel an Ärzten – aber sicher eine Verteilungsproblematik. Hinzu kommt der häufig kolportierte demografische Wandel, der schon lange keinen Neuigkeitswert mehr mit sich bringt.
Die Zahlen sprechen für sich und vor allem für Lösungen. Laut statistischem Bundesamt wird sich die Bevölkerung von 82 Millionen im Jahr 2018 auf 78 Millionen im Jahre 2050 senken. Besorgniserregend ist dieser Trend vor allem wegen der Überalterung. 2018 waren bereits 23% der Bevölkerung 60 Jahre oder älter. Bis 2050 wird die Anzahl dieser auf 33% heranwachsen.
Sicher sind die Vorbehalte gegen telemedizinische Leistungen nicht unbegründet. Angefangen bei der Sicherheit von sensiblen Daten, über die Abrechenbarkeit der Leistungen, bis hin zu dem Problem der steigenden Anzahl an „Google-Hypochondern“, die unter Umständen wertvolle medizinische Ressourcen besetzen könnten.
Allerdings lässt sich für die Zukunft versorgungstechnisch wohl eher ein dystopisches, als paradiesisches Bild zeichnen, da sich regierungsseitig keine einheitliche Strategie finden lässt. Zwar können GKV-Versicherte Patienten, in ländlichen Regionen, online Sprechstunden als voll versicherte Leistungen wahrnehmen (https://www.medical-tribune.de/praxis-und-wirtschaft/ehealth/artikel/online-sprechstunde-ist-jetzt-fuer-jeden-gkv-versicherten-im-laendle-moeglich/ ), das „große Ganze“ sucht man aber leider vergeblich. Zu viele Insellösungen behindern eine einheitliche und nutzenstiftende Auseinandersetzung. Die Bundesregierung schafft es wiederholt nicht, in Sachen medizinischer Digitalisierung für klare Verhältnisse zu sorgen. Während sich gefühlt jeder Lebensbereich unaufhaltsam digitalisiert, schleppen wir Rezepte und CDs von Röntgenbildern, Arztbriefen und mehr durch die Gegend. Vor diesem Hintergrund haben sich einige findige Pioniere aufgemacht, sich dem Thema anzunehmen. Nennenswert ist vor allem das Bundesland Bayern, sowie die Universitätsklinik Freiburg.
Das Bundesland Bayern präsentiert sich unter anderem mit seinem Pilotprojekt „Telenotarzt“ (https://www.telenotarzt.bayern). In Kooperation mit dem Rettungsdienst Straubing wurde ein Projekt zur telemedizinischen Unterstützung der Notfallrettung gestartet. Durch die Integration von Videokonsultationen sind Rettungskräfte bevollmächtigt, medizinische Maßnahmen ohne die physische Anwesenheit eines Arztes durchzuführen. In kritischen Situationen kann so ermittelt werden, ob ein Notarzt zur Unterstützung angefordert werden muss oder eben nicht.
Ein weiteres Beispiel bietet die Universitätsklinik Freiburg (https://ims.uniklinik-freiburg.de/fileadmin/mediapool-ims/03_plan-your-visit/downloads/Broschuere-eng-2018_Print.pdf) die durch die digitalen Möglichkeiten ein internationales Netzwerk zu telemedizinischem Austausch aufgebaut haben. Das sogenannte „Second Opinion“ System ermöglicht es den Patienten, sich vor komplexen Eingriffen und Behandlungen von einem weiteren Experten beraten zu lassen. Auf der anderen Seite profitieren aber auch die Ärzte. So haben sie durch den Expertenzirkel die Möglichkeit, sich auf einer internationalen Basis auszutauschen und unklare Diagnosen mit einer Zweitmeinung zu besprechen.
Telemedizinische Ansätze lassen sich nicht nur in Krankenhäusern und Kliniken finden. Die Resonanz und Nachfrage in Praxen und unter Patienten wächst stetig. Es gibt bereits heute unzählige Applikationen, die Gesundheitsparameter messen und diese bei Bedarf an den Arzt weiterleiten können. Teleradiologie wäre ein Beispiel, wo der Patient seine Daten in Kombination eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators und der Technologie seinen Zustand in Echtzeit an seinen behandelnden Arzt übermitteln kann. Durch die stetige Überwachung des Telemonitoring ist es schneller möglich Gefahren und Risiken zu erkennen ohne den Patienten aus seinem Alltag zu reißen.
Des Weiteren bieten eine Reihe telemedizinischer Apps den Vorteil eines ausgereiften Netzwerks. So können Nutzer nach dem Download einer App und der folgenden Anmeldung, Daten mit teilnehmenden Ärzten teilen, diese per Videosprechstunde konsultieren, Rechnungen an die Krankenkasse weiterleiten und Medikamente bei Online-Apotheken ordern. Verschiedene Anbieter wie tele clinic (www.teleclinic.com), Kry (www.kry.de/) oder auch Docdirekt (www.docdirekt.de/start/) haben bereits Apps entwickelt, die eine solche Plattform zum Informationsaustausch stellen. Aber nicht nur Unternehmen, Patienten und Ärzte öffnen sich dem Wandel zu der Telemedizin, auch Krankenkassen inkludieren diese in ihre Leistungen.
Laut diversen Studien wünschen sich aber vor allem die Patienten selbst eine digitalere Medizin. Laut einer Studie von PWC für „Future Health 2018“, vermuten 71 % der Befragten, dass telemedizinische Angebote ihnen Zeit sparen. Ebenso viele Menschen versprechen sich dadurch auch eine Entlastung der Arztpraxen. Des Weiteren haben 54 % der Befragungsteilnehmer das Gefühl, dass Telemedizin menschliche Fehler reduziert. Hinzukommt das 60% der befragten Personen annehmen, einen verbesserten Zugang zu Spezialisten gewährt zu bekommen und somit Ihre persönliche Mobilität nicht mehr ganz so wichtig erscheint. Ein weiterer Vorteil liegt für 41% der Befragten darin, dass die Ansteckungsgefahr in Arztpraxen sinken würde.
Auf der anderen Seite gibt es auch Ängste und Zweifel bei der Nutzung von Telemedizin. Ärzte haben klar geäußert das Telemedizin nur ein weiteres Tool ist um die medizinische Versorgung zu verbessern, jedoch bei schwerwiegenden Erkrankungen keinen Ersatz eines Arztes darstellt. Wohingegen Patienten sich am meisten um Ihre persönlichen Daten sorgen (52%).
Die Daten und somit die verbundene Verarbeitung und Speicherung stellt in der Tat ein multidimensionales Problem da. Bei einer solchen komplexen Kooperation von Medizin, Technik und Mensch, entwickelt sich die Frage des Datenschutzes zu einer sehr komplexen Problematik. Um den Datenschutz von Patienten zu gewährleisten und dabei den größten Fach- und Datengetriebenen Nutzen für die Forschung zu erreichen, müssen Datenschutzrichtlinien integriert werden. Ferner wäre in diesem Zusammenhang, auch ein internationaler Standard sicher wünschenswert.
In einem Gespräch mit Frau Dr. Juliane Pochhammer (Qualitätsmanagement Jomec GmbH) wurde deutlich, dass beim Datenschutz nicht nur rechtliche Grundlagen zu beachten sind, sondern auch Aspekte des Qualitätsmanagements stark von der richtigen Nutzung der Daten beeinflusst wird. Die Datensicherung wird eine immer stärkere Rolle spielen und somit auch die Qualitätssicherung Ihres Unternehmens.
Aber auch Ökologisch betrachtet hat die digitale Zukunft sicher Auswirkungen. In 2017 wurden allein 464 Millionen Kassenrezepte ausgestellt. Für die auf DIN A6 gedruckten „rosa Rezepte“ mussten also mindestens 200 tausend Bäume Weichen. Von dem Einsatz von Toner für den Drucker mal ganz abgesehen. Zieht man in diese Betrachtung auch die Aufwände für all die anderen Rezeptarten, Überweisungen, Arztbriefe und sonstigen Papiergebundenen Informationen mit ein, kommt man sicher schnell auf einen riesigen Mischwald. Insbesondere vor dem immer weiterwachsenden ökologischem Bewusstsein der Bevölkerung, wird es langsam Zeit, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
An diesem Punkt der Betrachtung liegt natürlich die Vermutung nahe, dass man unter der Last der Anbieterschwämme für Onlinebuchungen, ePA´s und virtuellen Sprechstundenapps zu ersticken droht. Die Lösung liegt wie so häufig im Detail und ist weniger weit entfernt, als man vorerst annimmt.
In erster Linie müssen telemedizinische Anwendung & Applikationen mehr als medizinisches Werkzeug für die Hosentasche verstanden werden. Das Prinzip Krankenkarte im Portemonnaie muss nach und nach von der digitalen Versichertenkarte in der App abgelöst werden. Gleichzeitig müssen aber auch Buchungsvorgänge und ärztliche Konsultationen Einzug unter das virtuelle Dach halten. Alles im Rahmen einer angemessenen Datensicherheit und barrierefreien Kommunikation. Vor dem Hintergrund, dass viele Buchungssysteme zugangsbeschränkt sind und Patienten der AOK keine Termine bei Arzt XY buchen können, braucht es eine höhere Kommunikationsbereitschaft und einheitliche Datenstruktur. Last but not least sollten die Systeme viel mehr auf die Wechselwirkung der Partner abzielen und die lokalen Besonderheiten besser berücksichtigen. Das heißt im genaueren, dass die Gesundheitsregionen virtuell begrenzt werden. Dass Kommunikation im Regelfall mit Ärzten und Spezialisten vor Ort stattfindet und Medikamente aus regionalen Apotheken bezogen werden, statt die Online-Riesen weiter zu bestärken.
Aktuelle arbeiten wir an einer Applikation, die die oben beschriebenen Probleme löst. Haben Sie Interesse uns dabei zu unterstützen? Sprechen Sie uns einfach an.
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