Gesundheit neu denken – die Versorgungsstruktur unter der Lupe

20.06.2017 | Fachbeiträge

Die Gesundheitsversorgung in Deutschland ist im Umbruch. Seit Jahrzehnten versucht die Politik die stationären Versorgungsstrukturen schlanker zu gestalten und die Krankenhauslandschaft auszudünnen. In Teilen mit Erfolg, denn die Zahl der Kliniken hat sich seit 1996 deutlich reduziert.

Seit Jahrzehnten versucht die Politik die stationären Versorgungsstrukturen schlanker zu gestalten und die Krankenhauslandschaft auszudünnen. In Teilen mit Erfolg, denn die Zahl der Kliniken hat sich seit 1996 deutlich reduziert. Durch vielfältige Eingriffe in die Vergütungssystematik, an erster Stelle durch die Einführung des Deutschlandlandweiten Rationalisierungs- und Gefährdungs-Systems (DRG) wurde der wirtschaftliche Druck massiv erhöht. Viele Kliniken und auch deren Mitarbeiter stehen mit dem Rücken an der Wand. Die hohe Arbeitsbelastung bei politisch gewollter sinkender Fachkraftquote vernichtet die Motivation der insgesamt hochbelasteten Arbeitsplätze in den Kliniken. In keiner anderen Branche ist physische und psychische Belastung für die Mitarbeiter so hoch. Für die Arbeitsbedingungen sind aber nicht allein die Kliniken zuständig. Die wesentliche Verantwortung tragen die politischen Akteure, die dieses selbstreferenzielle, effizienzfördernde System einführten, um die eigene Hilflosigkeit der strukturierten Versorgungsplanung und deren Umsetzung zu kaschieren. Hinzu kam und kommt die Verweigerung der Bundesländer für die ausreichenden Investitionsmittel zu sorgen.

Auch wenn die politischen Akteure versuchen den Schauplatz des Desasters zu meiden und nun sogar die politische Verantwortung an Selbstverwaltungsgremien wie den GBA delegieren, die Verantwortung für die Anreizstrukturen und die Situation in den Kliniken trägt die Politik.

Mit der Einführung des DRG-Systems haben die Klinik-Manager alles daran gesetzt die Vorgaben in wirtschaftlichen Erfolg für die Unternehmen zu überführen. Mehr als ein Jahrzehnt später stellen wir zunehmend fest, dass die Anreizstrukturen des Systems aus medizin-ethischer Sicht nicht mehr haltbar sind. Die Betriebskosten werden durch die Erlöse für kleine Kliniken kaum noch gedeckt, der Kontroll- und Verwaltungswahn treibt die patientenfernen Kosten.

Viel schlimmer ist das Risiko für die Patienten ohne Notwendigkeit behandelt zu werden und nicht notwendige Leistungen zu empfangen. Denn nur für den Patienten im Bett gibt es Geld. Kein wirkliches Problem z.B. im wachsenden Ballungsraum Berlin, trotz Wettbewerb. In Regionen mit sinkenden Bevölkerungszahlen oder hohem Wettbewerbsdruck wird hingegen um jeden Fall „geworben“. Der Leistungsdruck für die Kliniken wird natürlich an die Ärzte weitergegeben - an wen sonst? Fallzahl, Verweildauer und CMI müssen stimmen, damit auch die Ergebnisse passen. Ob dann immer das Wohl der Patienten an erster Stelle steht?

Im ambulanten Bereich sorgt die Kassenärztliche Vereinigung für die Honorarverteilung. Die Ärzte balgen sich um den zugewiesenen Kuchen. Der Hamsterradeffekt treibt auch hier die Phantasie und die Strategien zu Leistungen und deren Abrechnung. Die Patienten bekommen davon nichts mit, keine Rechnung, keine Transparenz, dafür aber Beitragssatzstabilität.

Die Privatpatienten leben schon immer mit der medizinischen Leistungsfülle. Sie bekommen alles was die Medizin zu bieten hat, ob das aber notwendig ist? Dafür erhalten Sie zumindest eine Rechnung! Die Preise liegen dank GOÄ zudem deutlich über den vergleichbaren Behandlungskosten der gesetzlichen Krankenversicherungen. Selbstverständlich sind diese Patienten damit interessant und gern gesehen.
Diese Anreizstrukturen haben die Medizin verändert- und das Schlimmste: Die jungen Generationen werden so angelernt. Zeit für Zuspruch, Wärme, Aufmerksamkeit oder die Begleitung schwieriger persönlicher Entscheidungsprozesse – kurz ein offenes Ohr, ist für die Mitarbeiter schon lange kaum mehr möglich. Vielleicht wird schon morgen ein gut programmierter Roboter auch diese Defizite auffangen können.

Aktuell müssen wir konstatieren, dass die Kliniken durch das DRG-System und die enge Kostensteuerung effizienter geworden sind. Der Spezialisierungsgrad hat sich erhöht, die Fokussierung auf medizinische Themen war für manche Einrichtungen sehr erfolgreich und die Bildung größerer Strukturen hat viele Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben.

Wahr ist aber auch, dass dieses System Schwächen hat, die mittel- und langfristig die Priorität von Medizin und Ethik hin zur Ökonomie verschieben bzw. verschoben haben. Der politische Wille nun auch die Qualität zu institutionalisieren wird zunächst den Verwaltungsapparat aufblähen, die Controlling und Gerichtskosten noch weiter explodieren lassen und überschaubare Ergebnisse liefern.
Der effiziente Mitteleinsatz muss ein Baustein sein, um herausragende Medizin für alle zu ermöglichen und den Patienten Chance und Hoffnung auf Heilung, aber auch eine menschenwürdige Begleitung zu sichern. Neue „Leistungserbringer“ aus der Industrie und der digitalen Welt erarbeiten sich schrittweise einen festen Platz im Gesundheitsmarkt. Das öffnet und verändert. Die Chancen und Herausforderungen der digitalen Welt müssen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessern und zu den Bedürfnissen der Menschen passen.

Die Komplexität des Systems, die verschiedenen Verantwortungsbereiche von Bund, Land, Kommune, Selbstverwaltung und die große Zahl der Interessensgruppen sind dabei die größte Herausforderung. Die Medizin von morgen wird sich so verändern, wie sich die Bedarfe der Menschen in ihren Lebenslagen und wie sich die Behandlungsansätze in der Medizin verändern. Diesem Wandel müssen auch die Versorgungsstrukturen, Berufsbilder, Finanzierungsinstrumente etc. folgen. Notwendig ist eine ganzheitliche Versorgungsplanung, eine daran ausgerichtete wertige und ethisch getragene medizinische Aus-, und Fortbildung sowie Anreizstrukturen, die sich am Ergebnis und der Bedarfe zur Versorgungssicherung orientieren.

Wir leisten unseren Beitrag mit innovativen Projekten auf örtlicher und regionaler Ebene und gestalten damit eine moderne, effiziente und verlässliche Gesundheitsversorgung. Wir unterstützen die Beteiligten, die eigenen Kräfte zu entwickeln und neue Wege zu gehen.

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