Die neue DIN EN 15224: Womit jetzt gerechnet werden muss

04.07.2012 | Presse

Artikel aus der Fachzeitschrift f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus Ausgabe Nr. 4 Juli/August 2012.

Die neue Qualitätsmanagement- und Zertifizierungsnorm DIN EN 15224 für Gesundheitseinrichtungen wird in diesen Wochen erscheinen mit dem Anspruch, neuer Branchenstandard für das Gesundheitswesen werden. Die eigenständige Norm ist abgeleitet von der DIN ISO 9001 und speziell auf Gesundheitsreinrichtungen wie Krankenhäuser zugeschnitten. Auf Grundlage der Norm sollen eigenständige Zertifizierungen möglich sein – möglicherweise bereits Ende 2012.


Die neue Norm DIN EN 15224 wurde von ihrer Mutternorm DIN EN ISO 9001:2008 abgeleitet. Gliederung, Aufbau und Denkweise sind prinzipiell identisch. Beide definieren den Rahmen und die Anforderungen an ein prozessorientiertes Qualitätsmanagementsystem (QM). Die Unterschiede sind einerseits redaktioneller Art, andererseits gibt es wesentliche inhaltliche Konkretisierungen zur Patientensicherheit und zum Risikomanagement.

Die Norm deckt alle Gesundheitseinrichtungen ab, ist aber redaktionell stark auf die Akutversorger zugeschnitten. Viele unkonkrete und oftmals abstrakte Forderungen und Begrifflichkeiten der DIN ISO 9001 wurden „übersetzt“ oder ergänzt. Beispielsweise wird aus „Kunde“ der „Patient“ und Kernprozesse werden zu klinischen Prozessen, die durch Forschungs- und Bildungsprozesse ergänzt werden. Damit wird ein alter Wunsch der Qualitätsmanagementbeauftragten erfüllt, die bislang die Begriffe der Dienstleistungswelt mühselig in den Krankenhaus- oder Gesundheitsjargon übersetzen mussten. Auch Mitarbeiter und Kollegen fremdelten aus diesem Grund mit der DIN. Dieser redaktionelle Zuschnitt ändert nichts an der großen Herausforderung der DIN-Normen, nämlich prozessorientiert denken zu müssen und den recht weit gesteckten Rahmen der Norm mit individuellen Lösungen und Strukturen auszufüllen.


Inhaltlich setzt die DIN EN 15224 im Vergleich zur Mutternorm engere Leitplanken und stellt konkretere Forderungen. Gleich bleiben die wesentlichen Elemente wie das Qualitätsmanagementhandbuch, die Managementbewertung, die Durchführung von Audits und die Lenkung von Dokumenten und Aufzeichnungen (Dokumentenmanagement).


Was ist neu?
Neu finden sich im bereits jetzt erhältlichen Entwurf elf erstaunlich weich formulierte Qualitätsmerkmale, beispielsweise „Kontinuität der Versorgung“, „Rechtzeitigkeit und Zugänglichkeit“ oder auch „Einbeziehung des Patienten“. Solche kaum vergleichbaren oder messbaren Qualitätsmerkmale passen wenig zu einer Norm, deren Stärke es ist, einen durchdachten strukturellen Rahmen vorzugeben. Bestes Beispiel dieser Stärke sind die in der DIN EN 15224 neuerdings detailliert beschriebenen Anforderungen zum Risikomanagement. Die Norm verlangt, klinische Risiken zu analysieren und die Verfahren dazu im QM-Handbuch zu beschreiben. Risikobewertungen, Informationen über Vorfälle, unerwünschte Zwischenfälle und Beinahe-Unfälle müssen zusammen mit den Präventionsmaßnahmen in die Managementbewertung aufgenommen werden. Das klingt aufwendig, ist aber ohnehin Pflicht und lässt sich unbürokratisch organisieren.

Entwicklung fast verschlafen
Dass überhaupt eine solche Norm entwickelt wird, macht in Krankenhauskreisen erst seit Ende 2011 die Runde. Selbst Zertifizierungsstellen wurden überrascht, obgleich bereits seit dem Jahr 2003 einige EU-Länder an einer speziellen Gesundheits-Norm arbeiten. Ziel ist es, international abgestimmte Qualitätsmanagementsysteme und einheitliche Standards für das Gesundheitswesen zu schaffen. Im Januar 2011 veröffentlichte das DIN die deutsche Entwurfsfassung, die ausgewählte Fachleute geprüft, geändert und nun als Endfassung beschlossen haben. Jetzt wird die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) die Norm in zwei Schritten prüfen. Zunächst wird geklärt, ob sie „zertifizierungsfähig“ ist, also ausreichend klare und nachprüfbare Anforderungen an die Einrichtung stellt, danach, ob es zur Norm eine Akkreditierung der Zertifizierungsstellen geben wird. „Wir prüfen die neue Norm erst, sobald sie veröffentlicht ist“, erklärt dazu ein Vertreter der DAkkS. „Wenn schon auf den ersten Blick schon ersichtlich ist, dass sie zertifizierungsfähig ist, kann unser Verfahren bereits in drei Monaten abgeschlossen sein.“ Zertifizierungen durch akkreditierte Zertifizierungsstellen wären also frühestens Ende 2012 möglich. Dauert die Prüfung länger – üblich seien sechs bis zwölf Monate – kann es Sommer 2013 werden.

Was ist wichtig für Geschäftsführer?
Klinikleitungen sollten jetzt mit Blick auf die neue Norm grundsätzlich strategisch prüfen, welche Zertifikate künftig erforderlich sind und welches QM-System für das Unternehmen Sinn macht. Noch ist ein Zertifikat nur in Ausnahmefällen erlösrelevant. Doch der Druck nimmt zu. Vorreiter sind Berlin und das Saarland, die mittels ihrer Krankenhauspläne eine Zertifizierung für bestimmte Fachgebiete (Stroke Units und Gefäßzentren) fordern, um sie zuzulassen. Die dafür einschlägigen Zertifikate der Fachgesellschaften verlangen derzeit zwar noch keine Basiszertifizierung. Anders sieht es bei Zertifikaten für Krebszentren aus, die nur auf Grundlage einer Zertifizierung vergeben werden. Als „Basiszertifikate“ sind DIN ISO 9001 sowie KTQ am weitesten verbreitet. KTQ versteht sich dabei als Bewertungssystem für das Qualitätsmanagement und muss daher auf ein existierendes QM-System aufbauen. Dagegen gelten DIN ISO 9001 und auch die neue DIN EN 15224 bereits als ausgewachsenes QM-System, weil sie die Anforderung an ein QM-System definieren. Geht der Trend so weiter, wird es zwingend, bestimmte Leistungsbereiche oder die ganze Klinik zertifizieren zu lassen.
Letztlich ist sogar möglich, dass sich der Gesetzgeber irgendwann entschließt – wie für stationäre Reha-Einrichtungen – die Erfüllung von Normanforderungen und mithin eine Zertifizierung zur Bedingung dafür zu machen, dass Gesundheitsdienstleistungen vergütet oder zugelassen werden. §135a SGB V verpflichtet momentan lediglich dazu, „ein Qualitätsmanagementsystem aufzubauen und fortzuentwickeln“.

Was ist wichtig für Qualitätsmanagementbeauftragte?
Wer bereits Erfahrungen mit der DIN ISO 9001:2008 gesammelt hat, dem wird der Umgang mit der DIN EN 15224 leicht fallen. Dank der besseren Verständlichkeit wird es etwas einfacher, die Mitarbeiter einzubinden. Jedoch sollte der Umstieg nicht leichtfertig allein aus diesem Grund erfolgen. Wichtiger als Formulierung und Verständlichkeit sind die Fragen nach dem geeigneten QM-System.
Grundsätzlich ist der Spielraum, die eigene QM-Arbeit individuell zu gestalten, mit der abstrakteren DIN ISO 9001 größer, als mit der konkreter gefassten DIN EN 15224. Diese fordert obendrein explizit ein umfangreiches klinisches Risikomanagementsystem. Dieses aufzubauen oder anzupassen, wird der größte Posten bei einem Umstieg von DIN ISO 9001 auf die DIN EN 15224 sein. Auch die neuen Qualitätsmerkmale werden Kopfzerbrechen bereiten. Sicherlich müssen passende Zieldefinitionen, Kennzahlen und Prüfroutinen entwickelt und dokumentiert werden.
Wer den Umstieg von der KTQ zur DIN EN 15224 in Erwägung zieht, sollte prüfen, inwieweit das hauseigene QM-System der DIN ISO entspricht oder Elemente davon enthält. Je nach Ausgangslage kann der Aufwand für den Umstieg auf DIN EN 15224 höher sein, als für einen Umstieg auf DIN ISO 9001. Wichtig ist, das Rad nicht neu zu erfinden. Möglichst viele der bisher genutzten QM-Werkzeuge sollten übernommen werden.


Im Vergleit KTQ und DIN ISO 9001
Im Vergleich mit den häufigsten Zertifizierungsverfahren KTQ und DIN ISO 9001 könnte die neue Norm das bisherige KTQ-Alleinstellungsmerkmal, das „Maßgeschneiderte“, mit den Vorteilen der DIN ISO als prozess- und ergebnisorientiertes QM-System verknüpfen. Allerdings ist sie im Vergleich zur Mutternorm insgesamt verbindlicher und fordernder und daher eher für solche Häuser attraktiv, deren Qualitätsmanagement bereits ausgeprägt entwickelt ist.


Benötigen Sie Unterstützung bei der Zertifizierung oder zusätzliche Informationen, dann scheuen Sie nicht uns anzurufen oder schicken uns eine E-Mail, wir stehen Ihnen gern zur Verfügung.

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