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Ambulant vor stationär – was bedeutet das in der Praxis?

05.09.2022 | Dr. Hans-Peter Schlaudt | Führung

Pressebeitrag von Dr. med. Hans-Peter Schlaudt im Krankenhaus-IT Journal 4/2022 www.krankenhaus-it.de

Die Anzahl der ambulanten Behandlungen steigt stetig, denn erst, wenn ein Behandlungsziel durch die ambulante Versorgung nicht mehr gewährleistet werden kann, haben Patienten Anspruch auf eine vollstationäre Versorgung, so sieht es das Sozialgesetzbuch (§ 39) vor. In der aktuellen Diskussion machen Hybrid-DRGs und die Ausweitung des Katalogs Ambulantes Operieren von sich reden. Denn durch moderne Operationsverfahren wächst der ambulante Sektor stetig. Abgesehen vom Patientenwohl, geht es hierbei natürlich auch um die Absenkung der Behandlungskosten. Doch was bedeutet die verstärke Verschiebung von stationär hin zu ambulant eigentlich für die „digitale“ Krankenhauswelt?

Bislang scheint der zusätzliche Aufwand zur Bewältigung der digitalen Ambulantisierung überschaubar, da ambulante Leistungseinheiten immer schon Bestandteil der Krankenhaus-Organisation waren. Egal ob im Rahmen von Institutsambulanzen oder persönliche Ermächtigungen von Chefärzten, kommen ambulante Leistungseinheiten zum Tragen. Eigene ambulante Leistungen (durch Krankenhauspersonal) sind also keine Herausforderung mehr. Weitaus schwieriger stellt sich der Sachverhalt jedoch dann dar, wenn die ambulante Leistung durch niedergelassene Ärzte im Krankenhaus erbracht wird. Dann liegt die Dokumentationsverantwortung für Eingriffe beim behandelnden (in diesem Falle niedergelassenen) Arzt. Dieser jedoch wird sein eigenes System zu Dokumentationszwecken verwenden wollen. Es gilt also Lücken, beispielsweise in der OP-Dokumentation, bei Implantaten und in der Kommunikation der beteiligten Personen zu schließen. In der Theorie ein „einfaches“ Schnittstellenthema und der Datenaustausch steht. In der Praxis ist dies in der Regel über Sektorengrenzen hinweg nicht ohne weiteres möglich. Eine mögliche Lösung stellen dann „Patientenportale“ dar, die als Vernetzungslösung zwischen Leistungserbringern aus dem ambulanten und stationären Sektor fungieren, jedoch durch den Datenschutz beeinträchtigt werden. Erschwerend wirkt, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle noch keine klaren Regelungen getroffen hat. Zwar wurde mit dem KHZG eine theoretische und praktische Förderung des Ausbaus von Patientenportalen ins Leben gerufen – gleichzeitig gibt es in der IT bislang jedoch keine Standards, die solche Portale berücksichtigen würden. Konkret bedeutet dies: Es gibt viele Teilnehmer am Markt, jedoch fehlen die einheitlichen Kommunikationsstandards – denn kein Teilnehmer bzw. Leistungserbringer möchte mit jedem seiner Partner über unterschiedliche Portale sprechen, dafür ist der Aufwand deutlich zu groß. Was es also braucht, ist eine einheitliche Lösung, die allen Partnern gerecht wird.

Sicher ist, die ambulante Versorgung wird einen deutlich größeren Raum einnehmen. Das Gutachten des IGES-Instituts zeigt, dass in Deutschland sehr viel mehr Operationen und Prozeduren ambulant erbracht werden könnten, als dies im Augenblick der Fall ist. Ginge es nach IGES, kämen zu den bisher 2.879 Leistungen noch einmal 2.476 neue hinzu. Darunter sind natürlich, vor allem verhältnismäßig einfach Eingriffe, beispielsweise aus dem endoskopischen Eingriffsspektrum. Doch der Gedanke des Ausbaus des ambulanten Sektors ist an vielen Stellen noch lückenhaft. Denn mit ihm tritt auch die Fragen nach multiprofessionellen, sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen auf, welche gerade im ländlichen Raum zukunftsweisend sein könnten. Dabei geht es darum, die wohnortnahe Versorgung trotz größerer Entfernung zum nächsten Krankenhaus zu erhalten, um Patienten Wegstrecken zu ersparen und dennoch spezialisiertes Knowhow in die ganzheitliche Versorgung vor Ort zu integrieren. Spannend an dieser Stelle ist die Frage, wie dies organisiert, gesteuert und finanziert werden soll. Ein gemeinsamer Ansatz sind ambulante Operationszentren, die durch die Kliniken und niedergelassenen Kollegen genutzt werden können.

Als sinnvolles ganzheitliches Beispiel gilt das Primärversorgungszentrum (PVZ), in dem die verschiedene Professionen zunehmend eigenständig agieren, digital vernetzt sind und damit eine wohnortnahe Versorgung der Patienten ermöglichen. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn Kliniken, Praxen und Fachkräfte im PVZ digital verbunden sind und notwendige Informationen allen Partnern an jedem Ort und zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Für die IT bedeutet dies, die Durchgängigkeit der Systeme sicherzustellen. Die heute gängige Praxis der Abschottung und der damit verbundenen teuren individuellen Schnittstellen verhindert die reibungslose klinische Kommunikation. Unabdingbar ist daher eine neue und standardisierte Offenheit in der Kommunikation der Systeme. Wer dies als KIS-Anbieter in der Zukunft nicht leisten kann oder will, wird sich zukünftig schwertun. Die heutigen Marktführer im KIS-Bereich müssen sich öffnen und die Verknüpfung in den ambulanten Sektor bereitstellen – und zwar ohne Schnittstellenkosten. Wer hier die Zeichen der Zeit verpasst, wird in der „hybriden Welt“ kaum eine Chance haben.

Nachhaltige Markführerschaft wird nicht durch Abschottung, sondern durch Innovation und die Umsetzung der Kunden- und Markterfordernisse definiert. Gemeinsam mit dem Klinikum Hochrhein werden wir ein Primärversorgungszentrum an den Start bringen und in diese Diskussionen einsteigen.

 

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