Wenn zwischen Klinikrealität und Social Media-Kommunikation eine Lücke klafft
Klinikkommunikation ohne Social Media?
Erst 28 Prozent der deutschen Krankenhäuser verfügen über eine Strategie, um den Herausforderungen der digitalen Transformation zu begegnen. Dieses Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Rochus Mummert Healthcare Consulting unter rund 300 Führungskräften von Kliniken schließt die Onlinekommunikation der Klinik mit ein, via interaktiver Kommunikation auf der eigenen Website und verstärkend via Austausch auf den Social Media Kanälen wie Facebook, XING & Co. Warum verweigern sich Kliniken mehrheitlich diesem Kommunikationswandel? Warum dringt diese Form der Kommunikation bislang wenig bis gar nicht in die strategischen Überlegungen der Klinikführungen vor? Eine Erklärung könnte im Verständnis von Unternehmenskulturen begründet sein.
Deutsche Krankenhäuser befänden sich in einer „Prä-Social Media-Phase“ pointiert ein Blog und zitiert drei Begründungen, warum sich Kliniken einer interaktiven Kommunikation verweigern: Zeitmangel, Angst vor Reputationsverlusten und rechtliche Probleme, vor allem medizinrechtlicher Natur. Die Erklärung für das Unbehagen mit Social Media könnte noch tiefer liegen.
Wie gehen wir in der Klinik miteinander um?
Kliniken sind Unternehmen auch in dem Sinne, dass sich im Miteinander aller Akteure (Verwaltung, Ärzteschaft, Pflege) das Selbstverständnis des miteinander Umgehens spiegelt. Dies können klassische Machtstrukturen in Gestalt festgefügter Hierarchien sein, aber auch Strukturen, die in eher flachen Hierarchien den Fokus auf Gemeinschaft setzen oder leistungsorientierte Strukturen „pay for performance“. Das arbeitsbedingte miteinander Umgehen, also die Unternehmenskultur, ist wiederum eng verknüpft mit dem Verständnis interaktiver Kommunikation und damit Social Media.
Wandel im Selbstverständnis des ärztlichen „Nachwuchses“: ich will hier rein
Was in Unternehmen geschieht, ist ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen, ein Spiegel des Selbstverständnisses in hierarchischen Gefügen und des Selbstbewusstseins der Akteure. Hier sind bereits jetzt Wandlungen zu verzeichnen, die über unzählige Einzelgeschehnisse zunehmend den Charakter bislang klassischer Machtstrukturen torpedieren. Das zeigt sich am jungen selbstbewussten ärztlichen „Nachwuchs“, um den mittlerweile Kliniken werben müssen. Verlangten noch Ende der 80er, Anfang der 90er junge Ärzte Einlass in die Kliniken „ich will hier rein“, gekoppelt mit der Bereitschaft, sich den jeweiligen Strukturen bedingungslos unterzuordnen, so treten heute junge Bewerber selbstbewusst, mit einem gut geschnürten Paket an Erwartungen, an ihren potentiellen neuen Arbeitgeber heran.
Damit sind wir bei der Fragestellung: Was haben diese Entwicklungen mit Social Media zu tun? welchen Einfluss haben die sozialen resp. die interaktiven Medien auf Kliniken und die Art des miteinander Umgehens, ergo auf die Unternehmenskultur? Umgekehrt gefragt: Welchen Einfluss hat die herrschende Unternehmenskultur in einer Klinik auf den Umgang mit Social Media?
Fünf Kulturen des Miteinanders in der Klinik
Ein sehr anschauliches Modell zu Unternehmenskulturen ist vom US-amerikanischen Sozialpsychologen Clare Graves entwickelt worden, der aus der evolutionären Entwicklung des Menschen heraus fünf Denk- und Handlungslogiken erforscht hat, die charakteristisch für Unternehmen sind. Das sind die Macht, die Ordnung, die Leistung, die Gemeinschaft und die Integration, die aus einem ständigen Pendeln zwischen Einzelkämpfer und Gemeinschaftsgeist entstanden sind. Diese Denk- und Handlungslogiken bestimmen sehr stark das Miteinander im Unternehmen, in Teams.
Hier ein paar Beispiele für Wirkung von Kulturverständnis auf die Zusammenarbeit:
Jede Kultur hat ihre Berechtigung, keine ist nur richtig oder nur falsch, es kommt immer auf den Kontext an.
Handlungslogik Social Media: Dialog, Mitgestaltung, Transparenz
Was aber ist nun das prägend für eine Internet- respektive eine Onlinekultur? Im Regelfall sind dies Mitbestimmung, wenn nicht sogar Mitgestaltung, dialogorientierte Prozesse, sog. Querdenken und zugleich die Betonung des subjektiven Verständnisses. Es ist eine sehr bunte Mischung und ein solches Verständnis im Unternehmen auszuhalten, erfordert Reife, erfordert eine integrative Kultur, die Reifestufe im Graves-Modell: Eine Unternehmenskultur, die mit Widersprüchen umgehen kann, die Offenheit, die sie einfordert, auch tolerieren kann, wenn sie in Kritik gegenüber der Klinik mündet.
Bilanz: Ist die Klinik reif für Social Media?
Kaum etwas ist schädlicher, als wenn eine Klinik sich ein Image überstülpt, das sie nicht einlösen kann, wenn sie bspw. einen Facebook Account betreibt, die „Likes“ (eine Aufforderung zur Kommunikation) aber nicht kommentiert. Für die Klinik bedeutet das: Sie kommt um eine sukzessive Integration interaktiver Kanäle nicht herum; muss sich aber der Frage stellen: sind wir schon reif dafür? Oder müssten wir zunächst über etwas ganz anderes nachdenken, nämlich über unsere Unternehmenskultur?
Die Bearbeitung dieser Frage ist wichtiger Bestandteil der Klinikstrategie: Werden Instrumentarien gewählt, die dem Charakter, dem Wesen dieser Klinik (noch) zuwiderlaufen, so kann dies die Authentizität gefährden.
Unbegrenzte Kommunikationswege beeinflussen das Denken und Handeln an jedem Ort und zu jeder Zeit. Widersprüchlichkeit und abweichende „Authentizitäten“ in einem Unternehmen machen unglaubwürdig und lösen die vielfältigen Aktivitäten des Einzelnen ggf. zum Nachteil des Ganzen auf.
Sozial Media gehört zu den kommunikativ-strategischen Aufgaben eines Unternehmens – und Strategie können wir.
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